Clara Heinrich

Landwirtin & Inhaberin der Marktgärtnerei Clarence Gärten, Lyrikerin & Essayistin

„Wir sollten in der Agrarwende nicht von einer gesunden Norm ausgehen, sondern Barrieren mitdenken. Ich kann nicht erwarten, dass jeder Mensch zuhause selbst Sauerkraut herstellt und Paradeiser einweckt.“

Fotos © Benjamin Helm

Foto © Sophia Schillik

Es ist Winter und Clara Heinrich steht zwischen kniehohen Kohlsprossenstauden und Kohlarten unterschiedlichster Formen und Farben. Über die Gemüsebeete ihrer Marktgärtnerei Clarence Gärten hinweg fällt der Blick auf den Salzberg, eine der ältesten und besten Weinbaulagen im burgenländischen Gols. Claras Eltern Heike und Gernot Heinrich kultivieren hier unter anderem Blaufränkisch und wer das neben der Marktgärtnerei liegende Weingut besucht, bleibt auf dem Weg dorthin erst einmal stehen, um den Garten zu bewundern. Clara genießt diese Momente, „weil es schön ist zu sehen, wenn zwischen dem Garten und dem Weingut Verbindungen entstehen. Während der Lese 2023 haben wir zweimal täglich für das Team gekocht und das ausschließlich mit dem eigenen Gemüse. Beides hat im Betrieb seinen Platz, das Gemüse und der Wein. Die Verantwortlichkeiten sind klar aufgeteilt und auch wenn die Bereiche unterschiedlich groß sind, haben sie dennoch denselben Stellenwert. Irgendwann werde ich das Weingut gemeinsam mit meinem Bruder übernehmen. Ich baue mir mit der Marktgärtnerei also schon jetzt zunehmend meine Zukunft im Betrieb auf.“

„Ich hatte mit Landwirtschaft nichts am Hut, außer in der Theorie. Aber ich habe gemerkt, dass mich das Thema trotzdem antreibt, allerdings aus sprachlicher Sicht."

Zur Landwirtschaft kam Clara über Umwege. Sie studierte Politikwissenschaften in Wien, Berlin und Aix-en-Provence, arbeitete für NGOs und als Redaktionsassistentin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin. Sowohl in ihrer Bachelor- als auch in ihrer Masterarbeit widmete sie sich dem Thema Saatgut aus einer feministischen Care-Perspektive. „Ich hatte mit Landwirtschaft nichts am Hut, außer in der Theorie. Aber ich habe gemerkt, dass mich das Thema trotzdem antreibt, allerdings aus sprachlicher Sicht. Mich interessiert mehr, wie über Natur gesprochen wird, als die gesammelten Daten per se. Also habe ich begonnen, mich der Landwirtschaft über Gedichte und Literatur anzunähern und studiere jetzt Sprachkunst an der Angewandten in Wien. Ich bin also über die Theorie und das Schreiben über Saatgut in die Praxis hineingerutscht. Es war aber auch mein Zugang zur Sprache, der mir den Weg ins Weingut geebnet hat. Ich bin erst seit letztem Jahr im Weingut angestellt und dort für Marketing und Kommunikation zuständig.“

„Essen connectet einfach anders. Es schafft Verbindungen.“

Die Idee zur Marktgärtnerei entstand aus einer versorgenden Notwendigkeit heraus, die schon zu Claras Zeit in Berlin begonnen hat. Während Corona erkrankte ihr Lebensgefährte an ME/CFS. Die neuroimmunologische Erkrankung bedingt starke Einschränkungen in der Ernährung. Während dem Lockdown beschäftigte sich das Paar intensiv mit den Möglichkeiten des Gemüseanbaus im privaten Garten basierend auf der No-Dig-Methode, sprich: Wie lässt sich Gemüse anbauen und gleichzeitig das Bodenleben nachhaltig verbessern? Clara und ihr Freund übersiedelten schließlich nach Gols, „wo mir aber nach kürzester Zeit die Berliner FoodCoops gefehlt haben. Schwarzwurzeln, Kohlsorten, verschiedene Pilze, das war hier alles nicht erhältlich. Ich finde, es sollte möglich sein, dass man sich das ganze Jahr über gesund versorgt und Produkte einfach zugänglich sind. So ist zuerst der private Garten entstanden. Meine Projekte haben es aber in der Regel an sich, dass sie sich verselbständigen und so kam es zur Marktgärtnerei. Ich hatte zu viele Jungpflanzen vorgezogen und dann in der Gastronomie nachgefragt, ob sie was brauchen können.“

Ungefähr zeitgleich mit Clara starteten in den benachbarten Ortschaften Frauenkirchen und Mönchhof zwei weitere Marktgärtnereien. Es entstand ein Netzwerk, in dem man sich gegenseitig unterstützt, „nicht auf die Füße steigt.“

Einer von uns liefert beispielsweise aus, was wichtig ist, damit wir auch Menschen mit Einschränkungen erreichen, für die eine Abholung nicht möglich ist. Generell finde ich, dass wir in der Agrar- und Ernährungswende viel zu wenig über Inklusion nachdenken. Ich kann nicht von allen erwarten, dass sie sich ihr Sauerkraut zu Hause selber herstellen und Paradeiser für den Winter einwecken. Es ist ein Lernprozess auf beiden Seiten. Klar müssen die Konsument:innen mitziehen, damit Konzepte wie eine Marktgärtnerei aufgehen, aber es liegt auch an den Landwirt:innen, sich an Bedürfnisse anzupassen.“

In Zukunft möchte Clara die Anzucht und den Verkauf von Jungpflanzen weiter ausbauen, dazu brauche es allerdings mehr Infrastruktur. Schon jetzt zieht sie alle Pflanzen selber vor, doch müsste die Menge mehr werden, um sie auch an andere weitergeben zu können. Außerdem beschäftigt sie sich mit syntropischen Agroforstsystemen und alkoholfreie Getränke als weitere Verbindung zwischen Garten und Weingut. Ihre Anbaufläche hat Clara seit dem Vorjahr bereits verdoppelt, weitere Flächen sind in Planung. Es soll einen fixen Gemüse-Abholtag geben und flexible Gemüsekisteln, deren Inhalt man je nach Bedarf selber zusammenstellen kann. Zudem bekommt Clara künftig Unterstützung von zwei Mitarbeiter:innen, die aus dem Ort stammen. „Der nächste große Schritt ist es, die Marktgärtnerei zu öffnen. Clarence Gärten soll keine One-Woman-Show sein, sondern ein gemeinsames Projekt.“ 

Mit welcher Frau würdest du gerne an einem Tisch sitzen und plaudern?

Mit Anna Tsing, Autorin von „Der Pilz am Ende der Welt“. Das Buch handelt von Matsutake, einem wertvollen Speisepilz; er war der erste, der nach der Atomkatastrophe in Hiroshima in den Ruinen der Stadt wieder gewachsen ist. Anna Tsing plädiert dafür, die Natur nicht als tote Materie oder als Kulisse zu betrachten, sondern als Akteur mit Geschichten, die erzählt werden sollten.

Mit welchen Frauen aus der Kulinarikbranche arbeitest du gerne zusammen?

Ich bin mit 13 Jahren von zu Hause weggegangen. Als ich zurückgekommen bin, hatte ich im Ort keine sozialen Kontakte. Über den Garten habe ich Sophie Kovacs mit ihrem Blog „Sophie’s Choices“ und Melanie Zechmeister von „das mundwerk“ kennengelernt. Der Austausch und die Unterstützung bedeuten mir sehr viel.

Zu welchen Themen könnte man dich als Speakerin/Podiumsteilnehmerin/ Workshopleiterin/etc. einladen, worüber würdest du gerne sprechen wollen?

Ich würde gerne eine Textwerkstatt zum Thema Nature Writing leiten. Dabei geht es darum, sich der Natur anzunähern, indem man über sie schreibt, aber nicht in romantischer Form, sondern reflektiert, indem man sich selbst als Teil der Natur begreift. Die literarische Tradition des Nature Writings kommt eigentlich aus den USA und Großbritannien, ist zunehmend aber auch im deutschsprachigen Raum vertreten. 

Kontakt

Clara Heinrich

Clarence Gärten

Baumgarten 60, 7122 Gols

weingut@heinrich.at

instagram.com/clarencegaerten

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