Marina-Selina Sapper

Senior Sous-Chefin im Amelia by Paulo Airaudo, San Sebastián/Spanien 

„Ich bin zu mir selbst am härtesten. Aber ich glaube, dass es extrem wichtig ist, sich selbst zu reflektieren – nur so kommt man auch weiter.“

Porträt von Martina Baumgartner

Fotocredit: © Mesnerhaus/Kathrin Buschmann

Marina-Selina Sapper ist eine Frau, die sich in der Welt der Spitzengastronomie einen Namen gemacht hat – und das, obwohl einst (und manchmal noch immer) der Biologie ihr Herz gehört hat. Mit gerade einmal 28 Jahren blickt die Tirolerin bereits auf eine beeindruckende Karriere als Sous-Chefin in den beiden 2-Sternerestaurants 180° by Matthias Diether in Tallin und im Amelia by Paulo Airaudo in San Sebastián zurück. Ihr Weg dorthin war geprägt von harter Arbeit, einem unerschütterlichen Willen und einer grenzenlosen Leidenschaft für die Kulinarik. Wer mit ihr ins Gespräch kommt, erkennt nach wenigen Augenblicken, was es heißt, für eine Sache zu brennen. 

Aufgewachsen in Tirol, durchlief Marina-Selina Sapper nach der Matura verschiedene Stationen, die sie letztendlich in die Gastronomie führten. Zunächst begann sie ein Studium der Informatik in Salzburg, danach stieg sie auf Biologie um, was sie in Innsbruck weiterführte. Doch schnell merkte sie, dass ihre wahre Berufung woanders lag: Die Leidenschaft für das Kochen entflammte während ihrer Studienzeit, als sie immer mehr Zeit mit Rezepten und Kochbüchern verbrachte. Während ihres Studiums habe sie nichts anders getan, als zu lernen und für sich und Freunde zu kochen, schmunzelt sie rückblickend. „Ich wollte einfach mehr – da sprang der Funke über und es hat gezündet. Ich musste das Kochhandwerk einfach lernen, ich wollte alles darüber wissen.“ So fiel die Entscheidung: Sie wollte können, was die ganz Großen der Branche konnten. Sie musste es einfach lernen.

„Ich würde von mir durchaus behaupten, dass ich ein sehr strukturierter Mensch bin.“

Ihr Ehrgeiz trieb sie dazu, mit 20 Jahren dank Matura eine verkürzte Lehre von zwei Jahren zu beginnen. Mit vollem Einsatz arbeitete Marina-Selina Sapper nicht nur 40, sondern wesentlich mehr Stunden pro Woche, um möglichst viel Input aufzusaugen. „Ich wusste von Anfang an, dass ich auf jeden Fall mehr arbeiten möchte, um die Jahre nachzuholen, die mir bisher entgangen waren.“ Ihr Talent blieb nicht unbemerkt: In Philipp Stohner wurde auf sie aufmerksam, seines Zeichens unter anderem Culinary Director beim Verband der Köche Österreichs, Präsident des Tiroler Kochverbands, Kochweltmeister 2018, Österreichischer Koch der Köche 2016, Dozent, Coach und Trainer bei diversen Koch-(Welt-)Meisterschaften. Er kontaktierte Marina-Selina Sapper kurz vor den österreichischen Staatsmeisterschaften für Lehrlinge, es folge ein Monat voll intensiver Arbeit und Training. So sammelte sie bereits nach vier Monaten Kochlehre 2017 die ersten Medaillen als Lehrling. Dabei wurde ihr die Leidenschaft für das Kochen nicht zwingend in die Wiege gelegt – ihre Familie hat keinen Hintergrund in der Branche. Es war ihre bewusste Entscheidung, intensiv und hart für ihren Traum, Köchin zu werden, zu arbeiten. 

Nach einer Zwischenstation im Das Kronthaler in Tirol war ihr Plan, mit dem Van Europa zu bereisten. Ihr Weg führte Marina-Selina Sapper nach drei Monaten spontan nach Estland, wo sie prompt im 2-Sternerestaurant 180° by Matthias Diether zu arbeiten begann. „Ich habe mich dann erinnert, dass es da ja einen genialen Berliner Chef in Tallinn gibt. Ich habe ihn einfach angeschrieben, ob ich nicht zwei Wochen bei ihm in die Küche reinschnuppern dürfte.“ Geplant waren zwei Wochen, doch am Ende blieb sie dreieinhalb Jahre. Dort entwickelte sie nicht nur ihre eigene Handschrift als Köchin, sondern lernte später als Sous-Chefin auch, was es bedeutet, in einer führenden Position zu arbeiten. 

Der Schritt nach Spanien folgte 2023. Ohne Spanischkenntnisse, aber mit einer klaren Vision bewarb sich die junge Tirolerin im Amelia, einem der spannendsten Restaurants Europas. Schon nach einem halben Jahr wurde sie dort von Paulo Airaudo zur Sous-Chefin des befördert. Marina-Selina ist eine Perfektionistin, jemand, der ständig nach Verbesserungen sucht, der sich nicht mit Mittelmaß zufriedengibt und verlangt dabei auch viel von sich selbst. 

„Ich vergleiche mich mit niemandem, außer mit mir selbst. Ich schaue immer: Wie habe ich heute performt, was kann ich morgen besser machen?“

Ihr Traum? Innerhalb der nächsten Jahre nach Australien zu gehen und dort neue kulinarische Inspirationen zu sammeln. Die Vielfalt der Produkte fasziniert sie, und sie will lernen, mit diesen umzugehen. Ein eigenes Restaurant ist das langfristige Ziel, doch bis dahin bleibt Marina-Selina rastlos, immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Fehler passieren, erklärt sie, doch für sie sei es wichtiger, daraus zu lernen, anstatt sich lange daran aufzuhalten. Ihr größter Kritiker bleibt sie selbst. Stillstand komme für sie nicht infrage – deshalb möchte sie auch ihre Skills sowohl in Kochtechniken als auch im Management-Bereich weiter ausbauen. 

„Wenn man als Frau in die Küche geht, dann muss man das wirklich wollen. Denn es wird genügend Tage geben, wo man drüberstehen muss – über gewisse Kommentare, über gewisse Einstellungen.“

Frauen in der Gastronomie haben es nach wie vor schwer, betont sie. Marina-Selina hat es selbst erlebt: Kommentare, die ihre Kompetenz infrage stellen, oder das schlichte „Übersehenwerden“ in einem von Männern dominierten Umfeld. Doch sie lässt sich davon nicht beeindrucken: „Ich bin überzeugt davon, dass es keinen Unterschied bei der Leistung gibt. Egal, ob ich eine Frau oder ein Mann bin: Ich kann exakt das gleiche leisten.“ Sie glaubt fest daran, dass es mehr Frauen in der Branche braucht – und dass es dafür vor allem an gegenseitige Unterstützung und Zusammenhalt braucht. Diesen Support fand sie unter anderem in Maria Steffner aus dem Mesnerhaus in Salzburg. Sie und ihr Mann Josef Steffner waren vergangenen November im Amelia by Paulo Airaudo essen und kamen dort mit Senior Sous-Chefin Marina-Selina Sapper ins Gespräch. Als Frau der Tat hat Maria Steffner sie zwei Wochen später kontaktiert – und dazu eingeladen, im Jänner 2025 an zwei Tagen ihr erstes eigenes Chef’s Menü im Mesnerhaus zu schicken. Beide Tage waren voll ausgebucht, dass Feedback der Gäste war überwältigend. „Marias Anruf und ihr Angebot hat mich im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos gemacht. Es ist echt ungewöhnlich, denn normalerweise wird immer nur der Chef eingeladen – nicht die Sous-Chefin.“ Sie sei dankbar für die Möglichkeit, die ihr im Mesnerhaus geboten wurde – und für die gemeinsame Zeit und den Austausch mit Maria und Josef Steffner. „Wie bei Maria ist es auch mein Antrieb, Menschen glücklich zu machen. Es ist total schön, jemanden zu treffen, der das genauso sieht.“ Außerdem habe sie die Stilistik von Josef Steffner abgeholt, sein Kochstil sei eine Inspiration für sie, betont Marina-Selina Sapper.  

Ihr Blick auf die Gastronomie ist klar: Die Branche befindet sich an einem Wendepunkt. Corona hat viele Köch:innen aus der Branche vertrieben, doch Marina-Selina sieht eine Chance, die Begeisterung für das Kochen neu zu entfachen. Besonders junge Frauen sollen ermutigt werden, sich in der Spitzengastronomie zu behaupten. „Ich glaube, wenn junge Menschen anfangen, sich nicht mit anderen zu vergleichen, sondern sich für sich selbst Ziele setzen, sich selbst und auch die anderen respektieren – dann kann die Gastronomie etwas unglaublich Schönes sein.“

Eines ist sicher: Marina-Selina Sapper wird ihren Weg weitergehen. Sie ist eine der jungen Frauen, die die Gastronomie von morgen prägen könnten – mit Mut, Leidenschaft und einer unermüdlichen Hingabe für das, was sie tut. Ihr Werdegang zeigt, dass es sich lohnt, für seine Träume zu kämpfen. Und dass der Weg, den sie geht, erst der Anfang ist.

3 Fragen an Marina-Selina Sapper

Welches Essen macht dich glücklich?

Eindeutig das Essen meiner Mama! Ich bin in keiner Gastronomie-Familie groß geworden, meine Eltern haben mit Fine-Dining nichts am Hut. Aber das Essen von meiner Mama ist immer etwas ganz Besonderes, sie kocht richtig gut. Das hat mich sicher auch sehr geprägt.

Hast du ein Vorbild in der Gastronomie?

Ich hatte eigentlich nie wirklich berufliche Vorbilder – aber von jeder Person, die ich kennenlerne, nehme ich etwas mit. Und ich muss sagen, das Mesnerhaus sowie Maria und Josef Steffner sind schon ganz außergewöhnlich. Allein das Arbeitsklima hier, wie viel Leidenschaft sie in ihre Arbeit und ihren Betrieb stecken – da gibt es viel, was ich mitnehmen kann.  

Worin findest du deinen persönlichen Ausgleich zur Arbeit? 

Tatsächlich im Krafttraining – da kann ich sehr gut Abschalten. Aber auch die Biologie hat noch immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen. Ich liebe es noch immer, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Das bringt mir nach wie vor einen schönen Ausgleich zur Arbeit in der Küche. 

Mit welcher Köchin würdest du gerne einmal zusammenarbeiten?

  • Das wäre Agnes Karrasch – ich verfolge ihre Arbeit schon lange. 
  • Außerdem Ann-Sophie Pic oder 
  • Clare Smyth.

Kontakt

Marina-Selina Sapper

marina.sapper96@gmail.com 

Instagram: @_marina.selina_

 

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