Noemi Krondorfer

Patissière, Landhaus Bacher

„Ich will mein Leben nicht damit verbringen, gestresst zu sein.“

Porträt von Martina Baumgartner

Foto © Wynn Florante
Foto © Michael Reidinger

Es ist ein Satz, der leise daherkommt – und doch ein echtes Work-Life-Balance-Manifest ist. Vielleicht, weil er nicht von Abgrenzung erzählt, sondern von bewusstem Gestalten. Noemi Krondorfer gehört zu einer Generation von Patissiers, die mit feinem Gespür für Zutaten, kulinarischem Handwerk, Trends und Menschen eine neue Idee von Küche prägt. Und sie ist sich dessen bewusst, dass Geschmack nicht bei der Technik beginnt und beim Anrichten aufhört, sondern schier unendlich viele Facetten hat. Diese Herangehensweise zeichnet sie aus – und dafür wurde sie auch ausgezeichnet. Vom Kulinarik-Magazin Gault Millau mit dem Titel „Pâtissière des Jahres 2022“. Seit März 2025 gehört sie zum Team von Susanne Dorfer-Bacher und Thomas Dorfer und verleiht den Desserts im 2-Sterne-Restaurant Landhaus Bacher im niederösterreichischen Mautern ihre besondere Handschrift.

Der Weg von Noemi Krondorfer war kein klassischer Gastro-Karriereweg, sondern einer mit ein paar Abzweigungen. Mit zwölf beginnt sie Geburtstagstorten für Freundinnen ihrer Mutter zu backen – „Basics“, wie sie heute sagt: Schwarzwälder Kirsch, Apfeltorten, … die Klassiker. Ein Auslandsjahr während ihrer Schulzeit in Frankreich vertieft ihre Liebe zur Patisserie. Nach der Matura wollte sie ihrer Leidenschaft für das Backen nachgehen und bewarb sich für eine Konditorlehre, doch diese scheitert zunächst am System: „Sie haben mir gesagt, sie würden mich eigentlich gern nehmen, aber es gibt noch andere, die den Platz dringender bräuchten, weil sie zum Beispiel die Schule abgebrochen hatten.“ Also startete sie mit 18 Jahren stattdessen eine klassische Kochlehre – und landete dabei im legendären Schwarzen Kameel in Wien. Dort lernt sie nicht nur von Markus Spittersberger, der Patisserie „von der Basis“ lebt, sondern entwickelt früh ihr eigenes Gespür für Kreation und Klarheit.

„Man kann auch aus wenig viel herausholen – zu viele Komponenten finde ich oft überflüssig. Auch, wenn wenig am Teller ist: Ein Dessert muss für mich schlussendlich einfach Sinn ergeben.“
Foto © Kirchgasser Photography

Ihre Stationen erzählen von konsequentem persönlichem Wachstum und Weiterentwicklung: Artner auf der Wieden, Volée, das Stüva in Ischgl unter 5-Hauben-Koch Benjamin Parth, wo sie erstmals die komplette Patisserie allein verantwortet. Es folgen das Noble Savage, das Babel Babel in Nizza, schließlich Joseph Brot, wo sie als Creative Director neue Prozesse entwickelt. Jede Station bringt ihr neue Impulse – vom täglichen Focaccia-Backen mit Sauerteig in Frankreich bis zur engen Zusammenarbeit mit kleinen Produzent:innen aus ganz Österreich. Ihre Pop-up-Tartelettes waren in Wien fast schon ausverkauft, bevor sie in der Vitrine lagen – eine Mischung aus Geschmack, Perfektion und Intuition, für die man keinen Maschinenpark braucht, sondern Verständnis für Genuss. Kein Zuviel an Texturen, keine willkürlichen Kombinationen: Krondorfers Desserts sind reduziert, raffiniert, reflektiert – und doch nie kühl. Jeder Teller erzählt eine Geschichte – und von Neomis Anspruch nach Perfektion.

Schon früh entwickelt sie eine Liebe zum Handwerk, das bei ihr nicht mit Technik endet, sondern mit der Haltung beginnt, Verantwortung zu übernehmen – für das, was am Teller passiert, aber auch für das, was im Team entsteht. Ihre Art, Patisserie zu denken, folgt einem klaren Prinzip: Geschmack und Geschmackkombination sind die Basis von allem, Reduktion steht über Komplexität, Sorgfalt über Showeffekt. Sie denkt aus den Zutaten, nicht von außen – oft entsteht ein Gericht aus dem, was da ist: Daraus entwickelt sie Texturen, Aromen, Geschichten. „Manchmal ist es nur eine Idee – und plötzlich passt alles zusammen.“

 

„Ich kann nicht von anderen meinen Anspruch an mich selbst abverlangen. Nur, weil ich in meiner Freizeit über Gerichte nachdenke, muss das niemand anderes tun.“

 

Was Noemi Krondorfer lebt, ist eine neue Form von Führungsverständnis. Sie delegiert nicht nur Aufgaben – sie teilt Wissen, ermutigt, begleitet. „Natürlich müssen wir abliefern. Aber es ist auch meine Aufgabe, dass die Leute hier etwas lernen. Damit sie sich weiterentwickeln, sie wachsen können.“ Ihr Verständnis von Teamarbeit bedeutet Respekt, Vertrauen, Verantwortung – in alle Richtungen. Sie will nicht, dass jemand Angst hat, Fehler einzugestehen. Vielmehr schafft sie ein Klima, in dem ehrliches Feedback möglich ist. Sie lebt diesen Führungsstil, das macht ihn glaubwürdig – und vor allem wirksam. Auch ihre Zeit in Nizza prägte ihren Umgang mit Teams nachhaltig. Im Babel Babel lernte sie von ihrer damaligen Küchenchefin Francesca Riccò, die sie bis heute sehr schätzt, wie man Grenzen erkennt, Potenziale entfaltet und zugleich mit Ressourcen achtsam umgeht – und das ganz ohne autoritären Gestus. 

Foto © Michael Reidinger

Auch im Landhaus Bacher gibt sie an ihr zwei Patissierie-Kolleginnen ihr Wissen gerne weiter. Sie beobachtet genau, erkennt, wie Menschen lernen. „Es bringt nichts, den eigenen Anspruch eins zu eins zu übertragen“, sagt sie. „Wichtig ist, dass jeder im eigenen Tempo dorthin kommt, wo er oder sie hinmöchte.“ Dass sie darin konsequent, aber nicht dogmatisch ist, macht sie zu einer respektierten Führungspersönlichkeit.

„Ich will niemand sein, vor dem andere Angst haben.“

Diese innere Ruhe hat sie sich erarbeitet – persönlich und auch therapeutisch. Bei ihrer ersten Station im Schwarzen Kameel war sie noch schnell gestresst, hat sich selbst und andere unter Druck gesetzt. Heute weiß sie: Der produktive Umgang mit Fehlern braucht ein Klima des Vertrauens. Resilienz, das ist für Noemi Krondorfer kein Buzzword – sondern Grundlage jeder gesunden Arbeitskultur. Und diese Kultur beginnt für sie bei sich selbst. Stress sieht sie heute nicht als Zeichen von Engagement, sondern als Hinweis auf Änderungsbedarf – und zwar in der Struktur des Küchenteams. „Ich habe gelernt, mich nicht mehr von Dingen stressen zu lassen, die ich nicht beeinflussen kann.“

Im Landhaus Bacher ist sie seit März 2025 Teil des Teams – gemeinsam mit Lea Bachler und Anita Rácz. Eine Konstellation, die funktioniert. Weil Respekt hier keine Floskel ist, sondern weil man voneinander lernen will. Und weil es ein gemeinsames Ziel gibt: Desserts zu kreieren, die nicht nur schmecken, sondern wirken. Die aktuelle Karte zeigt, wie ernst Noemi Krondorfer das meint. Da gibt es etwa Rhabarber, Pistazien aus Bronte & Kokos – pochierter Rhabarber, Kokos-Topfenganache, Salzkaramell, Joghurt-Sablé und Rhabarber-Buttereis. Oder karamellisierten Milchreis mit Tamarillo, Hibiskus und Nuarts Schafsmilch. Geschmacklich mutig – aber immer präzise auf den Genusspunkt.

Foto © Jörg Lehmann

„Man kann auf einem Geschmacksprofil bleiben, aber in 100 Facetten denken.“

Zutaten sind für sie nicht bloß Produkte – sondern Ausgangspunkt für Geschichten. Sie liebt zum Beispiel die Crème fraîche der Bio-Käserei Höflmaier oder auch Amalfi-Zitronen von Casa Caria. Ihre Küche ist regional gedacht – aber weltoffen. Und sie ist persönlich. Denn am Ende, sagt sie, „mache ich das alles auch für mich. Kochen war das Erste, was ich wirklich nur für mich gemacht habe.“ Kreativität schöpft sie aus der Natur, aus Gesprächen im Team, aus ihrer Intuition, die mit ihrer Erfahrung wächst. Wenn sie eine Kiste Maiwipferl von Sternekoch Thomas Dorfer bekommt, spinnt sie Ideen weiter – zu Essenzen und Texturen. Und denkt dann daran, wie sich das Gericht anfühlen soll. Nicht: wie es aussieht. Denn Geschmack steht für sie über allem.

Dass sie heute in einer Küche arbeitet, die diesen Anspruch teilt, ist für sie eine Wohltat. Weil sie sich einbringen kann – und weil sie wieder dort ist, wo ihre Leidenschaft liegt: im Machen. Was sie aus der administrativen Zeit bei Joseph Brot mitnimmt, ist vor allem auch ihr Zugang zur nachhaltigen Produzent:innenwahl. Das Netzwerk, das sie aufgebaut hat, begleitet sie weiter – und sorgt dafür, dass ihre Desserts nicht nur geschmacklich, sondern auch mit einem guten Gefühl überzeugen. 

Foto © Jörg Lehmann

Darüber hinaus hat sie dort gelernt, Prozesse zu denken – vom Einkauf über Haltbarkeit bis zur Kommunikation mit neuen Kund:innenkreisen. Heute kommt ihr dieses Wissen zugute, wenn sie etwa die Erwartungshaltung von Gästen einschätzt oder mit Produzent:innen neue Lieferzyklen plant.

Auch gesellschaftlich denkt sie weit über den Tellerrand hinaus. Noemi Krondorfer ist Teil eines feministischen Buchclubs – aktuell liest sie „Against White Feminism“ von Rafia Zakaria – und sie diskutiert über die Rolle der Frauen in der Gesellschaft, strukturelle Barrieren, soziale Herkunft. Sie sagt: „Ich bin mit Frauen aufgewachsen. Für mich war immer klar: Ich kann alles machen und werden, was ich will.“ Dieser Satz ist für sie keine Ansage, sondern eine Verpflichtung: für ein Arbeiten ohne Angst, für ein sinnstiftendes Leben in und Abseits der Arbeit. Für eine Gastronomie, die niemanden ausschließt. Ihr feministisch geprägter Zugang zur Arbeit ist dabei kein Etikett, sondern Alltag: in der Förderung junger Kolleg:innen, im kritischen Blick auf tradierte Rollenbilder, im Anspruch, dass jede Person das Gefühl haben soll, dazuzugehören.

4 Fragen an Noemi Krondorfer

Wo würdest du deine Skills gerne noch ausbauen? 

Technisch auf jeden Fall bei Schokolade. Ich arbeite viel mit Schokolade, aber möchte noch tiefer reingehen – gerade in Sachen Formen oder Skulpturen.

Welche Persönlichkeit aus der Gastronomie würdest du gerne kennenlernen? 

Claire Smith. Ihre Küche interessiert mich unglaublich. Ich war noch nie bei ihr essen – aber ich glaube, das wäre sehr inspirierend.

Hast du ein Patisserie-Vorbild? 

Thomas Scheibelhofer. Ich war einmal zu meinem Geburtstag mit meiner Mutter im Tian, die erste Fine Dining Experience meines Lebens. Sein Dessert damals – eine ‚entwurzelte Sachertorte‘, unter anderem mit Karotte, Ingwer und dunkler Schokolade – hat mich nachhaltig beeindruckt.

Gibt es eine Produzentin, mit der du besonders gerne zusammenarbeitest? 

Ja, Sarah Schmolmüller von den ‚Dirndln am Feld‘. Sie ist extrem inspirierend – jung, engagiert, leidenschaftlich. Und sie lebt das, was sie tut. 

Kontakt

Noemi Krondorfer

noemi.kron@hotmail.com  

noemikron

 

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